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Gläserne Gehälter - Lohntransparenz

Autor: Sarah Sommer / am

Über Geld spricht man nicht – das gilt in der Schweiz unter Kollegen, oft sogar unter engen Freunden oder in der Familie. Doch nach dem Bankgeheimnis weicht nun langsam auch das Lohngeheimnis auf. Was passiert, wenn wir wissen, wer wie viel verdient?

lohntransparenz

Wir reden mit unseren Kollegen über den Job, über die Macken des Chefs und über anstrengende Kunden. Wir sprechen über private Pläne, Probleme mit den Kindern, über Hobbies, mit manchem Kollegen sogar über Politik. Doch es muss schon viel Zeit vergangen und ein grosses Vertrauen zwischen Kollegen entstanden sein, bevor einer den anderen verschwörerisch fragt: Sag, was verdienst Du eigentlich? In der Schweiz hat Diskretion Tradition, wenn es ums Salär geht.

Doch nach dem Bankgeheimnis weicht nun auch das Lohngeheimnis zusehends auf. Die 1:12-Initiative und die Abzocker-Initiative haben in den vergangenen Jahren hitzige Debatten über Lohngerechtigkeit, über exzessive Managergehälter, über angemessene Mindestlöhne und die Lohndiskriminierung von Frauen angefacht – und eine grosse Wirkung erzielt Unternehmen müssen inzwischen die Gehälter ihrer Top-Manager offenlegen. Der Bundesrat will Unternehmen verpflichten, künftig alle vier Jahre über die Höhe der Löhne im Vergleich zu Branchen-Benchmarks sowie über Anzeichen einer möglichen Lohndiskriminierung zu informieren.

Der Trend zu mehr Offenheit bei den Löhnen scheint unaufhaltbar. Wo Unternehmen nicht freiwillig oder auf Druck des Gesetzgebers Transparenz herstellen, beschaffen sich immer mehr Angestellte die Informationen auf eigene Faust – etwa auf Plattformen wie lohncheck.ch oder in den sozialen Medien durch Initiativen wie #talkpay. „Vor allem die jüngere Generation findet Transparenz selbstverständlich und besorgt sich die gewünschten Informationen einfach online oder im Gespräch mit Kollegen“, sagt Tobias Egli, Gründer und Leiter von lohncheck.ch. „Sie wollen schliesslich selbstbewusst und auf Augenhöhe in Bewerbungsgespräche und Gehaltsverhandlungen gehen und den fairen Lohn einfordern, der ihnen zusteht.“

Doch was würde passieren, wenn Arbeitgeber tatsächlich plötzlich alle Löhne offenlegen würden? Sicher ist: Mit der Transparenz kämen erst einmal eine ganze Menge Diskussionen und Konflikte auf Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu. Das Thema ist emotional und rührt an viele, über Jahrzehnte eingeschliffene Gewohnheiten und Machtstrukturen. David Burkus, Wirtschaftsprofessor an der Oral Roberts University in Oklahoma, erforscht den Wandel der Arbeitswelt durch Trends wie den zur Lohntransparenz. Er sagt: „Viele Unternehmen fürchten, dass sich ihre Angestellten nicht erwachsen genug verhalten würden, um zu sagen: OK, es gibt vernünftige Gründe dafür, dass andere mehr verdienen als ich“, sagt Burkus.

Tatsächlich sei das aber eine ungerechtfertigte Sorge, sagt der Forscher. „Studien zeigen, dass Menschen ohnehin immer versuchen, herauszufinden, wie viel sie im Vergleich zu anderen Kollegen in ihren Job investieren und herausbekommen“, erklärt er. „Solange es keine Transparenz über die Gehälter gibt, ist die Wahrscheinlichkeit allerdings gross, dass sie mit ihren Einschätzungen daneben liegen.“ Mitarbeiter wissen dann gar nicht, was ihre Kollegen verdienen, fühlen sich aber dennoch ungerecht bezahlt. So glauben zum Beispiel laut einem Report des US-amerikanischen Gehalts-Software-Anbieters Payscale zwei Drittel der Mitarbeiter, die marktgerecht bezahlt werden, dass sie unterbezahlt seien. Von den Mitarbeitern, die sogar über dem Marktdurchschnitt bezahlt werden, glauben immer noch 35 Prozent, zu wenig zu verdienen.
Werden die tatsächlichen Löhne veröffentlicht, wird es also einen Realitätsschock für viele Angestellte geben – hitzige Diskussionen, womöglich auch Kündigungen und weitreichende Umstrukturierungen in den Unternehmen dürften die Folge sein. Verschiedene aktuelle Studien legen aber den Schluss nahe, dass der Aufwand und die anfänglichen Konflikte, die auf eine Offenlegung der Löhne folgen, sich auf längere Sicht lohnen könnten. Demnach arbeiten Mitarbeiter in Unternehmen, die Saläre transparent machen, auf Dauer enger, vertrauensvoller und effizienter zusammen. Das macht nicht nur die Zusammenarbeit angenehmer, auch die Arbeitgeber profitieren: Gibt es Lohntransparenz, arbeiten Mitarbeiter Studien zu Folge härter und produktiver.

In der Praxis gibt es viele Möglichkeiten, wie Lohntransparenz in Unternehmen konkret ausgestaltet werden kann. Das zeigen die Beispiele von Unternehmen, die mit solchen Lösungen bereits experimentieren: Bei der Social-Media-Agentur Elbdudler bestimmen Mitarbeiter etwa die Höhe ihrer Löhne selbst mit. Bei der Alternativen Bank Schweiz wird jedes Jahr im November unternehmensweit eine Liste mit den Gehältern aller Mitarbeiter verschickt. Die Zürcherischen Verkehrsbetriebe (VBZ) schreiben den zu erwartenden Lohn öffentlich einsehbar in jede Stellenanzeige. Das Startup Buffer veröffentlicht die Formel, nach der es die Löhne seiner Mitarbeiter berechnet auf seiner Webseite. Und das St. Galler Start-up Advertima geht noch einen Schritt weiter: Es führt einen Einheitslohn für alle Mitarbeiter ein.
Ob Unternehmen alle Löhne unternehmensintern oder im Internet für jedermann einsehbar veröffentlichen, ob sie Gehälter auf den Cent genau für einzelne Mitarbeiter offenlegen oder nur Bandbreiten für bestimmte Funktionen und Positionen benennen, sei letztlich eine Frage der Unternehmenskultur, sagt Lohncheck-Chef Egli. „Entscheidend ist, dass mehr Transparenz bei den Löhnen zu mehr Offenheit und Ehrlichkeit und zu einem respektvolleren Umgang miteinander bei Gehaltsgesprächen führt. Das bietet viele Vorteile im Vergleich zu der Geheimnistuerei, die heute allgemein vorherrscht.“

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