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Smarte Helfer für Bewerbung und Joballtag

Autor: Jennifer Garic / am

Wer Vorstellungsgespräche proben möchte – oder im eigenen Wohnzimmer die Präsentation vor grossem Publikum, der kann heute auf virtuelle Tools zurückgreifen. Aber wem nützen die künstlich intelligenten Assistenten – und wo stossen sie an Grenzen?

„Alexa, setze Milch auf die Einkaufsliste“ oder „Hey Google, wird es heute regnen?“. Viele Menschen fanden es vor ein paar Jahren noch befremdlich, künstliche Intelligenz (KI) zu nutzen, um den eigenen Alltag zu organisieren. Inzwischen haben die virtuellen Assistenten ihren Exotenstatus verlassen. Immerhin spricht einiges für sie: Sie sind meist günstig, meckern nicht und lassen sich selbstlos rund um die Uhr einspannen. Kein Wunder also, dass es zunehmend auch Anwendungen gibt, die auf der Jobsuche, bei Bewerbungen und in Sachen beruflicher Weiterbildung unterstützen.

Online Meeting

Interviewtraining mit Google

Kandidaten, die vor Vorstellungsgesprächen mit notorischer Anspannung zu kämpfen haben, können zum Beispiel seit Kurzem das Interview-Warm-up-Tool aus dem Programm Grow with Google nutzen, statt am Vorabend den eigenen Partner oder besten Freund zur gemeinsamen Probe des Bewerbungsgesprächs zu verdonnern. Wer auf KI-Coaches zurückgreift, schätzt häufig auch deren Anonymität im Vergleich zum menschlichen Berater: Vor ihnen ist es unmöglich, sich zu blamieren und man kann so lange mit ihnen trainieren, bis die Vorbereitung wirklich sitzt. Auch Anbieter Google verspricht mit dem Trainingsprogramm für Vorstellunggespräche eine „urteilsfreie Zone“, in der man die eigenen Antworten auf typische Fragen reflektieren und verbessern kann. Das kostenlose Tool eignet sich allerdings nicht für alle Branchen, sondern vor allem für Tech-Berufe. Zurzeit kann man wählen zwischen Data Analytics, E-Commerce, IT-Support, Project Management, UX Design und der offeneren Kategorie „General“. Zudem steht es nur in englischer Sprache zur Verfügung – für manchen Nicht-Muttersprachler dürfte das eine zusätzliche Trainingseinheit darstellen. Herunterladen muss man dafür nichts – das Programm lässt sich einfach und ohne Anmeldung im Browser starten.
Und so funktioniert es: Eine kühl-professionelle Männerstimme stellt dem Übenden nacheinander fünf Fragen, die automatisch aus einem Repertoire von 40 pro Berufsfeld ausgewählt werden. Zum Beispiel inwiefern das eigene Profil zur Stelle passt, welche Ziele man verfolgt und in der Vergangenheit bereits erreichen konnte, aber auch nach dem eigenen Arbeitsstil und den Fähigkeiten zum Multitasking. Dann heisst es: Mikrofon einschalten und dem Bot Rede und Antwort stehen. Wer ins Stottern gerät, kann seine Aussage in einem zweiten Durchgang überspielen. Und wer beispielsweise im Zug üben will oder sich schlichtweg unwohl dabei fühlt, mit seinem Rechner zu sprechen, kann seine Antworten auch einfach in das vorgesehene Feld tippen oder die eingesprochenen Sätze per Tastatur überarbeiten.

Stärken und Schwächen des Tools

Im Anschluss an das simulierte Vorstellungsgespräch lassen sich die von der KI verschriftlichten eigenen Antworten noch einmal nachlesen, ausbessern – und mittels smarter Software analysieren. So macht einem das Programm darauf aufmerksam, welche Wörter man oft wiederholt hat und inwiefern die Antworten tatsächlich Job-bezogen und damit passend und präzise sind. Wie häufig hat man Beispiele genannt, auf konkrete Referenzen verwiesen, wie oft persönliche Stärken oder Ziele thematisiert? Zu welchen Begriffen würden sich weitere Anknüpfungspunkte ergeben? Das Tool hilft den Übenden mit solchen Hinweisen mitunter auf die Sprünge und kann für ein Bewerbungstraining auf die genannten Jobprofile nützlich sein. Der Wermutstropfen: Die Fragen sind recht klassisch und vorhersehbar, die Analyse bleibt oberflächlich – und natürlich generell sehr technisch und theoretisch. Schlagfertigkeit lässt sich schliesslich nicht mit dem Warm-up üben. Und der Bot gibt auch keine Einschätzung dazu, wie sympathisch das eigene Auftreten herüberkommt, welche körpersprachlichen Signale man aussendet oder welches Outfit man am besten zum Gespräch wählen sollte. Dafür sind Vertrauenspersonen also deutlich besser geeignet.

Präsentieren üben mit VR-Brille

Auch jenseits des Bewerbungstrainings gibt es immer mehr Angebote für digitale und KI-basierte Coachings im Job. Wem vor Präsentationen und Vorträgen zum Beispiel regelmässig die Knie schlottern, der kann sich heute zum Herantasten mithilfe einer Virtual-Reality-Brille vor ein imaginäres Publikum wagen, um unter „realitätsnahen Bedingungen“ zu üben, wie der deutsche Dashöfer Verlag, Anbieter des entsprechenden Trainings „Easy Speech“ wirbt. Auch hier wird parallel analysiert: wie es dem Redner gelingt, den Blickkontakt zum Publikum zu halten und ob er in angemessener Lautstärke und Geschwindigkeit spricht zum Beispiel.
In der Schweiz werden virtuelle Simulationen in der Berufsbildung bislang noch relativ selten verwendet. Deren Effekte untersuchte eine im Januar 2021 veröffentlichte Studie der Login Berufsbildung AG zusammen mit der Hochschule für Angewandte Psychologie der FHNW. Die Probanden zeigten sich zwar genervt von vielen Wiederholungen und mittelmässiger grafischer Umsetzung, insgesamt erfüllte das Training offenbar aber deren Erwartungen.

Standardisiertes Coaching mit Bots

Für Themen wie Stressreduktion im Job oder das persönliche Zeitmanagement stehen inzwischen ebenfalls Chatbots verschiedener Anbieter zur Verfügung. Sie nehmen die Berichte ihrer Klienten auf und geben ihnen nach der Analyse des Gesagten passend abgestimmte Tipps, wie sie die Zusammenarbeit mit den Teamkollegen besser gestalten oder ihren Tag sinnvoll strukturieren können. Der Ablauf verläuft – wie bei einem „echten“ Coaching nach dem standardisierten Schema: Abfrage des Problems, Fixieren eines Ziels und Ratschläge, wie der Weg dorthin gelingt.
Wer eine sachliche Analyse des eigenen Verhaltens wünscht oder sich beim Training mit anderen befangen fühlt, der kann von den künstlich intelligenten Coaches im Job durchaus profitieren. Kostenlose Programme, wie das Google Interview-Warm-up vor der nächsten Bewerbungsrunde einmal auszuprobieren, kann immerhin nicht schaden. In Situationen, in denen man eine empathische Beratung wünscht, sollten Jobanfänger wie Profis aber besser auch weiterhin auf ihre Mitmenschen vertrauen.

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